Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei Frühgeburten

Ursula Heri
Ursula Heri
Director
Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei Frühgeburten

Am 30. November 2018 hat der Bundesrat den Vernehmlassungsbericht zur Änderung des Bundesgesetzes über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft (EOG) veröffentlicht. Thema der Gesetzesänderung ist der Versicherungsschutz betreffend Erwerbsausfall für Mütter, die eine Frühgeburt erlitten haben und deren Neugeborenes länger als drei Wochen im Spital bleiben muss.

Die Schliessung der Gesetzeslücke ist in Aussicht

Am 30. November 2018 hat der Bundesrat den Vernehmlassungsbericht zur Änderung des Bundesgesetzes über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft (EOG) veröffentlicht. Thema der Gesetzesänderung ist der Versicherungsschutz betreffend Erwerbsausfall für Mütter, die eine Frühgeburt erlitten haben und deren Neugeborenes länger als drei Wochen im Spital bleiben muss. Dies ist ohne Frage eine anspruchsvolle Zeit für alle Betroffenen. Auf der einen Seite stehen die Eltern, welche mit der Sorge und der intensiven Pflege des Neugeborenen absorbiert sind. Auf der anderen Seite steht der Arbeitgeber, welcher für unbestimmte Zeit auf die Arbeitskraft verzichten muss. Beide Parteien sind mit der Frage nach der Lohnfortzahlung während dieser Periode konfrontiert.

Heutige Regelung der Lohnfortzahlung

Nach geltendem Recht kann der Mutterschaftsurlaub von 98 Tagen, entschädigt im Höchstbetrag von CHF 196.00 / Tag, aufgeschoben werden, bis das Kind aus dem Spital nach Hause geholt werden kann. Vorausgesetzt ist dabei, dass das Neugeborene mindestens drei Wochen hospitalisiert sein muss (Art. 16c Abs. 2 EOG). Das Erwerbsersatzordnungsgesetz sieht jedoch für diese Periode keine Versicherungsleistungen vor. Weder im Obligationenrecht noch im Arbeitsgesetz sind Bestimmungen zu finden, welche dem Arbeitgeber eine Lohnfortzahlungspflicht während dieser Zeitspanne zuweisen. Die Mutter ihrerseits darf, gebunden an das Arbeitsgesetz, Art. 35a, Abs. 3 Arg, in den ersten acht Wochen nach der Geburt gar nicht arbeiten. Art. 324a OR sieht lediglich die Lohnfortzahlungspflicht im ersten Dienstjahr von drei Wochen vor, danach je nach angewandter Skala. Hat die Firma eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen, deckt diese lediglich die Absenzen vor der Schwangerschaft, ausser das Risiko der Frühgeburt wurde explizit im Vertrag festgehalten. Ansonsten werden Taggeldleistungen in solchen Fällen meist konsequent abgelehnt. Arbeitgeber wie Arbeitnehmer sind demnach von einem gesetzlichen Vakuum betroffen.

Bundesgerichtsurteil beordert KMU

Zwischenzeitlich gibt es ein Bundesgerichtsurteil, Urteil  8C_90/2016 vom 11. August 2016 , welches die Lohnfortzahlung dem Arbeitgeber zuordnet. Dies kann jedoch gerade für KMU Betriebe zu grossen Problemen führen; 1. fehlt die Arbeitskraft auf unbestimmte Zeit und 2. sind die Kosten zur Deckung des Lohnausfalles nicht für alle Unternehmen leicht zu tragen.

Vorentwurf des Gesetzestextes:

Die Gesetzesänderung, welche auf die Motion der Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates zurückzuführen ist, sieht nun für solche Fälle folgendes vor:

  • Die Lohnfortzahlung soll um weitere 56 Tage erweitert werden, das heisst von 98 Tagen auf 154 Tage
  • Die Verlängerung ist auf Frauen zu beschränken, die nachweislich die Absicht haben, nach dem Mutterschaftsurlaub weiter erwerbstätig zu sein
  • Die Mindestspitalaufenthaltsdauer des Neugeborenen von drei Wochen wird beibehalten
  • Im OR werden die entsprechenden Änderungen vorgenommen
  • Der Mutterschaftsurlaub und der Schutz vor Kündigung zu Unzeit werden im gleichen Umfang verlängert wie der Entschädigungsanspruch

Umsetzung

Erwartet wird, dass damit 80% aller Fälle abgedeckt werden können. Dem Arbeitgebenden ist überlassen, wie er die Bestimmungen bei Frühgeburt in seinen Reglementen festhält. Geschuldet sind in jedem Fall die gesetzlichen Leistungen.

So geht’s weiter

Die Vorlage wurde positiv aufgenommen und das Referendum wurde nicht ergriffen. Das Geschäft muss nun noch abschliessend in den Räten behandelt werden. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Gesetzesänderung angenommen und umgesetzt wird.