Revision des Aktienrechts: Modernisierung & Digitalisierung

David Gisin
David Gisin
Director
Revision des Aktienrechts: Modernisierung & Digitalisierung

Am 19. Juni 2020 hat das schweizerische Parlament die lang erwartete Aktienrechtsrevision verabschiedet. Der grösste Teil der Revision wird gemäss gegenwärtiger Schätzung des Bundesamtes für Justiz erst im Jahre 2023 in Kraft treten. 

Per 1. Januar 2021 sind die neuen Bestimmungen zu den Geschlechterrichtwerten für grosse börsenkotierte Gesellschaften und zur Transparenz im Rohstoffsektor bereits in Kraft getreten. 

Die Bestimmung in Art. 734f OR zu den Geschlechterrichtwerten besagt, dass jedes Geschlecht mit mindestens 30 % im Verwaltungsrat und mindestens 20 % in der Geschäftsleitung vertreten sein muss. In den Anwendungsbereich der neuen Bestimmung fallen jedoch nur solche börsenkotierten Unternehmen, die in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren zwei der folgenden Schwellenwerte überschreiten:

  • Bilanzsumme von CHF 20 Mio.,
  • Umsatzerlös von CHF 40 Mio.,
  • 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt (Art. 727 Abs. 1 Ziff. 2 OR).

Somit sind kleinere börsenkotierte Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz von der neuen Bestimmung nicht betroffen.
 

Was sind die wesentlichen Bestimmungen, welche voraussichtlich im Jahr 2023 in Kraft treten werden?

  • Unübertragbare Befugnisse der Generalversammlung: Künftig werden unterschiedliche Regelungen für kotierte und nicht-kotierte Gesellschaften gelten. Zu den unübertragbaren Befugnissen der Generalversammlung zählen neu auch die Beschlüsse zur Festsetzung von Zwischendividenden und die Genehmigung des dafür erforderlichen Zwischenabschlusses sowie die Beschlussfassung über die Rückzahlung der gesetzlichen Kapitalreserven.

  • Senkung der Schwellenwerte für Einberufung, Traktandierung und Stellen von Anträgen: Der Schwellenwert liegt aktuell bei mindestens 10 % des Aktienkapitals oder einem Aktienbesitz von mindestens CHF 1 Mio. für kotierte und nicht-kotierte Gesellschaften. Zukünftig erfolgt eine Unterscheidung zwischen kotierten und nicht-kotierten Gesellschaften. Bei kotierten Gesellschaften ist ein Anteilsbesitz von mindestens 5 % des Aktienkapitals oder der Stimmen für die Einberufung der Generalversammlung sowie 0.5 % für die Traktandierung von Verhandlungsgegenständen und die Antragsstellung erforderlich. Bei nicht-kotierten Gesellschaften bleibt der Schwellenwert bei 10 % des Aktienkapitals für die Einberufung der Generalversammlung und sinkt auf 5 % für das Traktandierungs- und Antragsrecht. 

  • Digitalisierung, Modernisierung und Flexibilisierung der Generalversammlung: Hybride wie auch rein virtuelle Generalversammlungen werden gestattet. Zwingend ist jedoch die Einhaltung der digitalen Unmittelbarkeit, d.h. die Teilnehmenden müssen elektronisch eindeutig identifiziert und die Voten elektronisch ohne Zeitverzögerung übertragen werden. Weiter muss jeder remote teilnehmende Aktionär Anträge stellen und an der Diskussion teilnehmen können. Es ist ausserdem möglich, die Generalversammlung in elektronischer Form (z. B. mittels E-Mail) einzuberufen, sofern es die Statuten vorsehen. Die Geschäfts- und Revisionsberichte können den Aktionärinnen und Aktionären zukünftig elektronisch zugänglich gemacht werden. 

  • Tagungsort der Generalversammlung: Die Generalversammlung kann an verschiedenen Orten gleichzeitig stattfinden. Zudem ist eine Austragung im Ausland erlaubt.

  • Universalversammlung: Die Beschlüsse können neu schriftlich auf Papier (Zirkulationsbeschluss) oder in elektronischer Form gefasst werden, sofern kein Aktionär die mündliche Beratung verlangt.

  • Berechnung des hälftigen Kapitalverlustes: Für die Berechnung des hälftigen Kapitalverlustes werden zukünftig anstelle der gesamten gesetzlichen Reserven nur die nicht ausschüttbaren gesetzlichen Reserven berücksichtigt (50 % bzw. 20 % bei Holdinggesellschaften).

  • Pflicht zur eingeschränkten Revision bei hälftigem Kapitalverlust: Die letzte Jahresrechnung muss zwingend der eingeschränkten Revision unterzogen werden, auch im Falle eines Opting-outs.

  • Überschuldung: Der Rangrücktritt wird nur angerechnet, wenn auch die verfallenen und zukünftigen Zinsen subordiniert werden. Die Überschuldungsanzeige muss ausserdem spätestens 90 Tage nach Vorliegen des geprüften Zwischenabschlusses erfolgen.

  • Kapitalveränderungsformen: Bei den ordentlichen und bedingten Kapitalerhöhungen werden keine wesentlichen Veränderungen vorgenommen. Das genehmigte Kapital wird jedoch abgeschafft und durch das sogenannte Kapitalband ersetzt. Mit dem Kapitalband erhält der Verwaltungsrat die Möglichkeit, das Eigenkapital innerhalb einer Bandbreite von max. 150 % bzw. mind. 50 % des Aktienkapitals in einem Zeitraum von bis zu fünf Jahren ohne weiteren Generalversammlungsbeschluss zu verändern. Im Falle einer Kapitalherabsetzung innerhalb des Kapitalbandes ist die eingeschränkte Revision der Jahresrechnung zwingend.

  • Aktienkapital in Fremdwährung: Das Aktienkapital kann auch auf eine ausländische Währung lauten. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

  1. die ausländische Währung muss für die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft wesentlich sein (Funktionalität der Währung);

  2. das Aktienkapital in fremder Währung muss zum Zeitpunkt der Gründung bzw. bei bereits bestehenden Gesellschaften zum Zeitpunkt der Feststellung durch den Verwaltungsrat, dass die Voraussetzungen von Art. 621 Abs. 2 nOR erfüllt sind, einem Gegenwert von mindestens CHF 100'000 entsprechen;

  3. die Buchführung und die Rechnungslegung müssen in derselben Währung erfolgen und

  4. die gewählte Währung muss vom Bundesrat als geeignet qualifiziert worden sein.
  • Festlegung Mindestnennwert der Aktien und Stammanteile: dieser muss nicht mehr mindestens 1 Rappen betragen, sondern muss lediglich grösser als Null sein.   

 

Besteht nun ein konkreter Handlungsbedarf für Gesellschaften?

Wir empfehlen, die Statuten Ihrer Gesellschaft nach Inkrafttreten der Revision innerhalb von zwei Jahren zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Dabei sollten die Einhaltung der Vorschriften und die Nutzung der neuen Möglichkeiten sichergestellt werden. Ausserdem sind die bestehenden Rangrücktritte auf die neuen gesetzlichen Anforderungen zu prüfen.

Bei Fragen oder Unsicherheiten bezüglich der bevorstehenden Aktienrechtsrevision stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung. Unsere Expertinnen und Experten beraten Sie umfassend und persönlich.

 

Ergänzende Informationen/Quelle: